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Ist die DDR Gegenstand der Archäologie?

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Dieses Thema weckt natürlich Emotionen. Klar ist: Die jüngste Geschichte kann und wird durchaus archäologisch erforscht werden. Das ist bei der Hinterlassenschaft etwa des Dritten Reiches gar keine Frage mehr. Die Archäologie des Kalten Krieges dagegen hat bei uns in Deutschland noch etwas Exotisches, während sie in anderen Ländern wie England oder Frankreich schon lange eine sehr große Rolle spielt. Dort gibt es auch einen eigenen Tourismus zu den Stätten des Kalten Krieges und damit wird inzwischen viel Geld verdient.
Der Umgang mit dem Erbe der DDR ist mitunter schwierig. Ich denke da an die Mauer in Berlin: Unmittelbar nach dem Fall der Mauer gab es Leute, die der Meinung waren, man müsse zumindest ein Stück der Mauer erhalten und zwar im Original, in situ, und genau mit all der Perfidie, die diese Mauer ausgemacht hat.
Andere Interessen dagegen waren der Meinung, dass die Mauer weg sollte: beste Innenstadtlage, neu investieren, tolle Bauten hinstellen, irgendwo einen Streifen in die Straße legen, das ganze Mauerstraße nennen – das reicht.
Heute haben wir eine heftige Diskussion über Teile der Mauer, die rekonstruiert werden sollen bzw. die Frage, wie man den Menschen klarmacht, was eigentlich Mauer bedeutet hat. Ich denke da an meine Studenten, die nach dem Fall der Mauer geboren wurden und für die das teilweise so unvorstellbar und weit weg ist wie die Napoleonischen Kriege.
Insofern wird diese neueste Geschichte wieder mehr in den Blickpunkt rücken. Problematisch ist aber, dass man bei durch Baumaßnahmen erzwungenen Grabungen oft einen sehr engen Zeithorizont hat und gegebenenfalls eine sehr komplexe Stratigraphie, wo es runtergeht bis in die Vorgeschichte, durchs Mittelalter, durch die Römerzeit, je nachdem wo man sich befindet. Dann werden die obersten Schichten oft weggebaggert, weil das einfach eine Interessensabwägung ist bzw. eine Frage der Zeit, die zur Verfügung steht. Denn wenn ich mit der archäologischen Akribie von oben bis ganz unten durchgehen möchte, komme ich zeitlich einfach nicht hin.

Was gäbe es in Bezug auf die DDR-Geschichte denn zu entdecken?

Ziehen wir zum Vergleich die Erfahrungen heran, die wir mit den Hinterlassenschaften des Dritten Reiches gemacht haben. Vieles über das KZ-System, die Außenlager, die Bedingungen dort wurden erst durch archäologische Untersuchungen so richtig verständlich – trotz der unglaublichen Mengen schriftlicher Quellen. Dazu kommen Dinge, die einen hohen emotionalen Wert haben. Nehmen wir die Bestecke oder Geschirre, die Häftlinge selbst aus irgendwelchen Dosen gemacht haben. Ich war gerade eben im Moskau, habe eine Ausstellung gesehen zum Gulag, da ist es genauso.
Die Dinge bekommen eine Lebendigkeit bzw. eine Gegenwärtigkeit, wie es allein aus Schriftquellen, so eindrucksvoll die auch sein mögen, niemals möglich ist.


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